5. Rosenschnaps und der Duft nach vertrockneten Margeriten

 

18. Mai 2020

Ende April hörten wir das erste Sommergeräusch. Eine Grille. Sofort wird ein Schalter umgelegt, wenn die Grillen singen, fühlt man sich im Sommer, zwischen Tamarisken und warmem Wind. Das Meer ist noch schön erfrischend.

Überall beginnen die Arbeiten, Häuser werden geweißt, Wege gestrichen, Schäden des Winters behoben. In den Gärten gebuddelt.

Stefan bekommt die große Heckenschere und hat zwei Tage mit dem Buschwerk zu tun und danach einen Hexenschuss. Wie letztes Jahr auch schon. Matthéus sagt, so schön sah es noch nie aus. Und das war es doch wert. Und dann bringt Matthéus ihm Farbe, für die Veranda und das macht Stefan so gut, dass er gleich die große weiße Hauswand streichen darf.

Am 1. Mai hängen alle ihre selbst gemachten Maikränze an das Haus. Einer schöner als der Andere. Inzwischen sind sie etwas verwelkt, aber das macht ja nichts. Hauptsache sie sichern eine gute Ernte. Das ist der Brauch. Zur Mittsommernacht werden sie entfernt, in anderen Gebieten auch gemeinschaftlich verbrannt.

 

Die Gedenkfeier für Agapias Tante Maroussi fand im kleinen Kreis auf dem Friedhof statt. Wir durften auch dabei sein.

Diese Gedenktage gibt es immer am dritten, neunten und vierzigsten Tag nach dem Tod sowie nach einem Jahr. Der Pfarrer kam, sang einen Psalm, schwenkte den Weihrauch und ging wieder. Dann gab es das traditionelle Kolyva, die Totenspeise, die alle Teilnehmenden essen und damit um „Ruhe in Frieden“ für die Verstorbenen bitten.

Normalerweise laden die Angehörigen danach noch zum Kaffee, Kognak und Gebäck in einer Taverne ein, aber wir haben Corona.

 

Seit 4.Mai dürfen in Griechenland wieder die Geschäfte öffnen und die Ausgangsbeschränkung wurde aufgehoben. Ab dem 18.Mai kann man wieder in eine andere Präfektur fahren.

Auf die Inseln dürfen nach wie vor nur die Bewohner selbst. Bis zum 25.Mai,

dann können die Urlauber wieder kommen. Zumindest Griechen. Besucher aus dem Ausland müssen bis zum 14.Juni noch die Quarantäne-Regeln einhalten, inklusive Test.

Ab 15.Juni geht das Ganze dann auch Ohne, für 29 Staaten. Sogar aus China oder Italien! Corona zu Ende? Oder nur die Touristensaison retten? Oder beides? Was ist danach? Keiner weiß es. Aber alle hoffen, dass es gut geht. Und irgendwann später denkt man wahrscheinlich nicht mehr daran. Man gewöhnt sich wieder an das normale Leben, so wie man sich an das unnormale Leben gewöhnt hat. Vielleicht. Wenn es das normale Leben überhaupt wieder geben wird. Und wenn nicht, gewöhnt man sich auch daran.

 

Agapia hat Rosenblätter mitgebracht, sie will Likör daraus machen. Er wird mit gutem Raki angesetzt und jetzt heißt es abwarten. Die Flasche versteckt sie, sonst trinkt Tzortzis ihn schon vorher aus. Nach einer Woche dürfen wir kosten und er schmeckt wie Rosenschnaps. Stefan sagt, sie solle keinen Zucker rein tun, es wäre schade drum. Sie einigen sich auf etwas Honig.

Agapia hat kleine Küken in ihrer Küche. Ein Karton und eine Lampe, das ist ihr Brutkasten.

Sie sind aneinander gekuschelt und piepen. Eigentlich gehören sie der Pfarrersfrau, aber die kennt sich damit nicht aus. Sie kommt sie immer mal besuchen und nimmt sie auf den Arm. Ein paar Tage später drückt uns Agapia eine Kiste in die Hand, ich gehe runter in ihre Wohnung, tue die piependen Küken einzeln in die Kiste und wir bringen sie zur Pfarrersfrau.

Am nächsten Tag helfen wir beim Koulourakia-Backen, das sind traditionelle Kekse.

Der Teig kommt in eine kleine Keksmaschine mit einer Handkurbel. Das ist sehr mühselig auf Dauer. Aber Stefan holte seinen elektrischen Schraubendreher, das Gewinde passte und dann lief die Produktion! „Patenta tou Stefanou“ (Patent von Stefan) sagt Agapia dann immer.

Die Kekse wird es dann früh zum ersten Kaffee geben. Wenn die Sonne aufgegangen ist.

 

Die kleine Ziege ist inzwischen wieder bei ihrer Herde. Nachdem sie im Dorf sämtliche Blumentöpfe angeknabbert hat. Als sie sich bis in die Nähe unseres Gartens durchgefuttert hatte, musste ich sie aber verscheuchen, das ist dann nicht mehr lustig.

Sie kam auch wirklich nicht wieder. Glaub ich jedenfalls.

Einige Male sind auch die Hühner von Mattheus abgehauen und ich fand sie in meinem Salat wieder und das ist dann genauso wenig lustig. Dann hieß es, das Huhn einfangen. Da war dann der halbe Vormittag vorbei, Hühner sind wirklich nicht schlau und flattern einfach nur wie aufgescheucht in der Gegend rum. So vergeht hier die Zeit, es ist immer irgendwas und wenn nicht irgendwas ist, machen wir das Irgendetwas.

 

Zur Zeit arbeiten wir an einem Lied für meine Tochter. Zwei weitere werden folgen. Zum Geburtstag oder einfach nur so, weil wir uns nicht sehen können, so wie immer im Sommer. Es ist sehr viel Arbeit aber macht Spaß und ist etwas völlig Anderes.

Wir machen ein Video dazu, wie eine Lebensgeschichte und da taucht vieles wieder auf aus dem eigenen Leben, das irgendwo tief begraben ist in mir und mich jetzt hier und jetzt bewegt, ohne das ich das wollte oder vorher ahnte. Aber das gehört auch zu diesem Leben hier, das Nachdenken vom Leben jetzt und davor. Die wilden und die ruhigen Jahre. Rolling Stones zwischen Windeln waschen und Pilze sammeln im Vogtland. Die Zeit der verrauchten Partys und Frühstück mit Freunden. Die Unbeschwertheit und die Ahnungslosigkeit. Das eigene Erwachsenwerden zusammen mit meinen drei Kindern. Die Zeit der Meditation und Entspannungsübungen zwischen dem Büro und dem Atelier. Die Sehnsucht und die Suche nach dem Ungesagten, vom Verdrängen und Vergessen.

Vom Entdecken unbetretener Pfade und dem Nichts, vom Fallenlassen im Jetzt, vom Glück, dieses zu begreifen, vom Glück dieses leben zu können.

Um das zu finden, müssen wir vom gewohnten Weg abweichen. Das passiert oft im Leben. Aber nicht immer findet man das, was man sucht.

Vor drei Jahren wich ich wieder einmal ab, diesmal von einem Leben mit der Malerei, legte den Pinsel weg, einfach so, nach ungefähr 25 Jahren, ich hatte alles gesagt, ohne dass ich es sagen wollte. Auch das Ungesagte gehörte dazu. Der Fotograf der damals meine Bilder für den Katalog fotografierte, sagte zu mir, ich könne so schön das „Nichts“ malen. Und ja, die Bilder gibt es ja noch. Und wenn ich sie anschaue, berühren sie mich. Wie mich alle Teile meines Lebens berühren. Die Bedeutung des Nichts habe ich gefunden. In meinen Bildern und nun hier, inmitten der Ägäis, inmitten von blühenden Disteln und vertrocknenden Margeriten.

 

30. Mai 2020

Am 19. Mai kam eine Hitzewelle. Für ein paar Tage, wir hatten hier bis zu 34 Grad, auf dem Festland über 40. Wir blieben viel im Zimmer, weil es nicht mal Wind gab. Nur ab

und zu gingen wir ins Dorf, aber das war dann schon fast zu heiß. Nachmittags ist Schatten auf der Terrasse. Da ist es gut. Um sieben am Abend sind wir zum Hafenstrand runter, kurz schwimmen und das kann man ja dann gleich mit einem Einkauf in dem kleinen Laden von Ioanna und Antoni verbinden. Sie haben immer frisches Obst und Gemüse. Und danach trinken wir ein Bierchen auf der Bank, das hat schon Tradition. Wir müssen alles wieder hoch laufen, 280 m hoch liegt die Chora, immer schön langsam, wir haben Zeit. Den Bus gibt es noch nicht. Wir haben Corona. Den Einkauf wird uns Antoni später bringen, sie sind unsere Nachbarn.

 

Ein paar Tage später waren es 10 Grad weniger und der Nordwind kam wieder und es war wie ins frische Wasser springen. So blieb es dann eine Weile, was für ein angenehmer Mai.

 

Die ersten Gäste kamen heute mit der Prevelis früh um sieben. Und bewunderten unseren Garten. Popi kochte für alle einen Kaffee und danach war erst mal Ruhe.

Auch das sind Sommergeräusche. Leben in den Zimmern über uns.

Das erste mal, dass wir jemanden mit Maske sahen. Einen älteren Herrn. Zumindest hatte er sie noch um den Hals. Auf den Fähren ist ja Maskenpflicht. Sonst war unser Müllfahrer der einzige mit einer Maske, aber die hat er ja schon immer.

Der Herr ging gerade ins Dorf, ohne Maske. Also alles wie immer.

Es stellte sich heraus, dass die vier Leute Landvermesser sind, also noch keine Urlauber.

 

Wir leben jetzt 3 Jahre hier. Nur im Juli und August fuhren wir regelmäßig nach Berlin. Und ein paar Wochen im Winter. In diesem Jahr nicht. Corona. Da bleibt man besser, wo man ist. Hier ist die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung sehr gering. Hingegen auf der Fähre, Flughafenbus, Flugzeug, Metro ziemlich groß. Und überall Maskenpflicht. Das wollen wir uns nicht freiwillig antun, wenn es denn auch anders und sicherer geht. Wir haben nicht mal eine Maske. Nein, ans Reisen denken wir erst wieder, wenn die Zeit gekommen ist. Und wenn wir absolut sicher sein können, dass wir wieder zurück kommen können.

 

Wir leben in einem Ferienzimmer. Der Raum ist ca. 20qm groß und hat eine Küchenzeile.

Wir haben es uns gemütlich gemacht. Ein paar Bilder an der Wand, selbstgebaute Regale und unter dem Bett sind praktische Aufbewahrungskisten für all unsere Dinge.

Im Sommer wird dann alles in Kisten verpackt und eingelagert. Da wohnen dann andere Gäste hier. In diesem Jahr nicht. Wir haben Corona. Was im nächsten Jahr ist, weiß keiner.

 

Vor ein paar Jahren hätte ich es für schlicht unmöglich gehalten, dass man zu zweit in einem Zimmer auf Dauer wohnen kann. Ich brauchte immer meinen Rückzugsraum und Stefan liebte es auch, mal allein zu sein. Hier ist alles anders. Man geht vor die Tür und vor einem liegt das Meer mit seinen drei unbewohnten Inseln im Licht. Wie viel Zimmer man hat, ist unwichtig, wahrscheinlich würde ein Zweites meistens unbenutzt sein. Wer weiß. Die Terrasse ist wie ein Extraraum, nur viel schöner und der Garten auch.

 

Bouzouki üben kann ich auf der Nachbar-Terrasse, wenn keine Gäste da sind. Oder am Strand oder im Zimmer, wenn Stefan draußen ist oder mit Kopfhörern arbeitet. Griechische Musik zu spielen, nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, die Rembetiko-Lieder werden immer mehr und anspruchsvoller, das bedeutet zwei bis vier Stunden üben am Tag.

Aber manchmal gehen wir ans Meer und dann ist frei.

 

Es gibt für alles eine Lösung oder eine Idee. Das haben wir gelernt. Und wir haben gelernt, wieder zu improvisieren. Das muss man, wenn man wenig Platz hat. Und wenig Dinge. Wir entdecken immer wieder neue Optimierungsmöglichkeiten. Gitterroste von alten Kühlschränken werden zum Regal in einer Nische. Dann wird noch der Kondensator ausgebaut, man kann ja nie wissen. Aus einem Pappkarton bauen wir einen Bilderrahmen, aus einem alten Metall-Kleiderbügel wird eine Halterung für eine Haushaltsrolle. Unsere Lampe war mal ein Macchia-Strauch.

 

Wir sind gerne zusammen, zumindest ist der Andere immer irgendwie in der Nähe, das geht ja auch nicht anders hier, und das 24 Stunden. Wenn ich sage, ich geh mal eine Runde spazieren, sagt Stefan, warte, ich komme mit. Sagt Stefan er geht Wasser holen, sage ich, warte ich komme mit. Man könnte ja auch die Zeit mal alleine genießen, aber da gibt es gar kein Bedürfnis. Das ist schon komisch, oder ? Ja, vielleicht auch nicht.

Nicht hier jedenfalls.

Man könnte ja ein spannendes Buch lesen, in andere Geschichten eintauchen.... Nein, seitdem wir hier sind, gibt es nach wie vor dieses Verlangen nicht, in einer anderen Welt zu sein, oder eine andere Welt dazu zugewinnen, nein im Gegenteil, man will an dieser Welt hier festhalten, sie füllen mit Dingen, die dazu gehören. Der Garten, die griechische Musik, das Gespräch mit den Nachbarn, das Kochen mit eigenem Gemüse, das Pflücken von frischen Bergkräutern, das Streichen der Hauswand, das Reparieren eines alten Ventilators, das Schwimmen im Meer, das Spüren des warmen Sandes unter den Tamarisken. Das Großziehen eines Katzenbabys. Das Füttern der Hühner mit unseren Bioabfällen, sie flattern uns immer schon entgegen, wenn wir mit dem Eimerchen kommen. Das Einkaufen in einem kleinen Laden. Und das Bier auf der Hafenbank. Das Beobachten der Falken, wie sie in der Luft stehen, bis sie die Beute entdecken und dann zum Sturzflug übergehen… 

Wenn wir im Sommer zwei Monate in Berlin sind, ist das völlig anders. Jeder macht seine Termine, Einkäufe oder Besuche, damit man alles schafft. Alles zusammen zu machen, wäre uneffektiv. Wir bemerken nach ein paar Wochen eine Unzufriedenheit, wir merken, dass man sich schnell auseinanderleben könnte.... Wir waren innerlich zeitweise irritiert oder angespannt, das lag nicht nur an der Großstadt. Wenn man soviel zusammen ist, wie hier auf der Insel, ist es vielleicht wie ein Entzug der Nähe. Ohne das man es versteht ... geht man doch gerne Freunde besuchen oder mal shoppen, so ganz in Ruhe. Natürlich ist es in dieser Zeit das Schönste, von der Familie umgeben zu sein. Und wir genießen das noch mehr und intensiver als früher, damals zwischen dem Arbeitstag und dem Rumrennen überall. Natürlich genießen wir auch die Spaziergänge zusammen an der Spree oder in Zerpenschleuse oder in den Wäldern des Vogtlandes.

Und trotzdem passiert letztendlich etwas Zwischenmenschliches in dieser Zeit mit uns. Aber das macht nichts, wir wissen ja, dass auf Anafi alles ganz schnell wieder ins Gleichgewicht kommt. Unser Gleichgewicht.

In der Stadt und ringsherum wird das Unterbewusstsein mit ständigen Informationen gespeist. Die Läden, die vielen Menschen, der Verkehr und die Werbung überall, die

tausenden Schilder, Plakate, Aufschriften, Lautsprecheransagen, alles das was der Mensch absolut nicht braucht, alles nur dazu da, dass irgendwo Geld verdient wird.

Damit wird man überschüttet, ohne dass man es will. Und das fehlt hier gänzlich. Keine Werbung, nur selbstgebastelte oder selbstgemalte Schilder, die die Taverne schmücken. Oder einen Laden.

Nur am Hafen, wo man Tickets kaufen kann, gibt es ein beleuchtetes, modernes „Blue-Star-Ferrys“ Schild. Die moderne Fähre, die im Sommer fährt, zur Hochsaison. Und am Geldautomaten, na gut. Mehr nicht. Nirgendwo.

 

Heute ist es windstill, das ideale Wetter zum Schwimmen. Aber erst mal haben wir zu tun: Mangold ernten, Essen vorbereiten, Rote Bete einlegen. Der Garten bestimmt, was wir kochen.

Dann den Luftentfeuchter zu unserer Lieblingsoma Anna zurückbringen, den Stefan repariert hat. Zum Bäcker und mal sehen, was noch so los ist im Dorf. Dann werden wir Musik machen oder doch zum Strand? So könnte es sein, muss aber nicht. Hier kommt meistens sowieso alles anders, aber daran gewöhnt man sich.

 

Nikis Katzenkind ist getauft: Paule. Auf griechisch: Pavlos. Er sieht einfach so aus. Grau und frech und neugierig und tapsig. Er ist am 4. Mai geboren, sie brachte ihn uns zwei Wochen später und versteckte ihn unter der Treppe mitten im Tomatenbeet. Jetzt trappelt er schon auf der Terrasse rum, fällt ab und an noch um und freut sich, wenn Stefan kommt und ihn hoch nimmt. Dann schläft er fest ein in seinem Arm und wenn er irgendwann wieder runter soll, krallt er sich fest.

Niki kann also in Ruhe Mäuse fangen gehen, neulich brachte sie eine kleine Eidechse mit. Nicht schön. Weil eigentlich verträgt sie diese Speise nicht und ich mag Eidechsen.

 

Wir lesen in den News, dass in Griechenland einschließlich der Inseln von ausländischen Firmen massenweise Windparks entstehen sollen. Damit könne man ja Schulden abbauen. Griechenland liefert nur die Standorte. Anafi soll 24 riesige Windräder erhalten. Das ist unvorstellbar und eine riesengroße Sauerei. Wenn man für die Insel den Strom produzieren wollte, reichten ein bis zwei Windräder. Das ist also nicht der Grund.

Die Naturschützer protestieren überall, weil unberührte Gebiete, wo seltene Arten von Tieren leben, zerstört werden. Und es gibt keine eindeutigen Konzepte zur Entsorgung nach 15-20 Jahren, das ist die Lebensdauer der Windräder. In anderen Gebieten werden sie einfach dort liegengelassen. Heute sahen wir Vermesser, mit einer Drohne, die flog auch die kleinen unbewohnten Inseln gegenüber an. Auch die sollen bestückt werden.

 

3. Juni 2020

Zwei Tavernen haben wieder geöffnet, das Steki und das Liotrivi. Und die Imbissstube, das Petrino. Drei Tische stehen dort auf der Terrasse.

Es sind nur eine handvoll Gäste auf Anafi, aber es wirkt trotzdem alles sehr lebendig, die Kinder spielen überall, der Bäcker hat wieder bis in die Abendstunden geöffnet und Stühle rausgestellt, alles ist wieder beleuchtet und Rembetikomusik klingt aus dem Steki. Der Wirt sitzt mit einem Anafioten am Tisch und diskutiert, ohne Maske.

Einige Tavernen sind auch noch geschlossen, im Anemos hängt die Wäsche, wo sonst die Leute sitzen und Fisch essen. Im Sokaki, am zentralen Dorfplatz stehen auch keine Tische draußen. Das Armenaki sieht noch winterfest aus.

 

Im Astrachan, bei Agapia hängen die Netze mit dem gesammelten Oregano zum Trocknen in der Taverne, dort wo sich sonst die Gäste wie im Wohnzimmer fühlten. Sie schließt jetzt immer die Tür ab von innen, weil sie nicht will, das Leute von woanders reinkommen und Corona mitbringen, sie hat Angst, weil die Insel für Besucher wieder geöffnet ist.

Tzortzis brachte einen Sack mit Knoblauch, der trocknet nun auch dort auf den Tischen. Knoblauch aus der steinigen Erde zu ziehen, ist sehr anstrengend, er steckt sehr fest. Tzortzis war völlig erschöpft, trank einen Kaffee und ging schlafen.

Agapia schenkt uns frisch geerntete Zucchini. Unsere sind noch ganz klein.

 

Mit der Prevelis kamen gestern einige Autos und auch ein paar Gäste. Meistens sind

das aber Athener oder Santoriner, die hier Haus und Garten haben und endlich wieder herkommen dürfen. So kamen auch unsere lieben Nachbarn wieder. Michalis mit seiner Frau und dem Sohn. Und fuhren gleich in den Garten. Es ist schön, dass nebenan

wieder die Wäsche im Wind flattert.

 

Jetzt wären einige unserer lieben Freunde da, das fehlt uns schon sehr, aber man kann es ja nicht ändern. Ab dem 15.Juni ginge es theoretisch, aber da gibt es unklare, verschiedene Informationen zu den Einschränkungen, fehlende Fährpläne, teurere Flugpreise, fehlende Krankenversorgung auf den kleinen Inseln.... Und viele Zimmer sind schon von den Griechen gebucht.

Man hofft auf den Herbst, wenn alles gut geht. Aber das weiß auch keiner. Woher auch.

 

Wir haben unseren Flug nach Berlin umgebucht. Es ist sicher, wir bleiben diesen Sommer hier. Easy Jet macht das immer noch kostenfrei. Wir planen nun den 26. Dezember für unsere nächste Reise. Bis dahin sollte die Situation zumindest klarer sein.

Einen ganzen Sommer hier, das ist eine neue Erfahrung.

 

6. Juni 2020

Hier beginnt heute das verlängerte Pfingstwochenende. In normalen Zeiten kommen sehr viele Gäste für ein paar Tage auf die Insel, meistens Griechen.

Seit zwei Tagen weht ein starker Südwind, der Scirocco, wir haben alle Markisen eingerollt. Heute früh war alles mit rosa-gelben Wüstensand bedeckt.

Die Prevelis-Fähre steht in Santorin und wartet, dass der Wind nachlässt. Hier anhalten wird nicht gehen, da die Wellen direkt von vorne kommen und somit das Anlegen unmöglich machen. Anafi hat keine geschützte Hafenbucht für große Fähren. Die Pfingstgäste sitzen erst einmal fest.

 

Es ist ein Leben mit dem Wind, der soviel bestimmt hier. Er sagt uns, wann wir wo spazieren gehen, wann wir Wäsche waschen, wann wir ans Meer gehen, wann wir lieber im Haus bleiben, wann wir das Beet gießen, was für eine Jacke wir anziehen. Wann wir mit der Fähre fahren können. Es sind nicht die Temperaturen, es ist der Wind.

Der Nordwind ist trocken und frisch, er ist beliebt hier, der Südwind bringt hohe Luftfeuchtigkeit und warme Temperaturen und es ist diesig und die Stimmung mystisch. Manchmal bringt er den Wüstensand und das ist nicht gut. Er ist angeblich belastet mit Schwermetallen, von den Ölraffinerien in Afrika. Sie mögen ihn hier nicht.

Im Februar/März ist er sehr häufig und stark, so dass oft die Fähren nicht anlegen können.

Vor starken Nord- oder Westwinden ist der Hafen geschützt.

Weht der Westwind, ist es unmöglich, auf unseren Kräuterweg zu gehen.

Der Meltemi weht in den Sommermonaten, er ist trocken und kommt aus nördlichen Richtungen. Er ist angenehm kühl und der Himmel und die Sicht schön klar.

Auch bei Hitze lässt es sich dann gut aushalten.

 

Die Fähre kam sechs Stunden später dann doch hier an und überall schauten die Leute mit Ferngläsern von oben zu, ob sie es schafft, hier anzulegen. Sie hat es geschafft und die ersten, wenigen Gäste gebracht.

 

Die letzten Margeriten verblühen, die allerletzten Mohnblumen kämpfen sich durch die Erde, so schnell ist alles sommertrocken und gelb.

Unseren Garten gießen wir nun fast jeden Tag, mit dem Wasser vom Winter.

 

 

 

Unser Zuhause

Es gibt immer etwas zu tun...

Auf dem Friedhof

Bei Agapia: Rosenschnaps, Küken und getrockneter Oregano

Koulourakia

Lampe und Bilderrahmen aus Pappe

Werbung und Schilder auf Anafi

Niki und Paul (griechisch: Pavlos)

Tavernen sind geschlossen und sind geöffnet ....

Unser Garten und was dabei so heraus kommt...

Am Klisidi, am Hafen und frisches Obst bei Ioanna

Die letzten Blumen, vertrocknetes Gras und die Disteln blühen

Aus dem Video für Susi und dem  Nachdenken über das Leben