1. Nebel und Desinfektions-Mittel

Viele fragen uns, wie es uns geht und wie die Lage hier in dieser Corona-Zeit auf Anafi ist

 

Freitag. der 13.März 2020

 

Also wir sind hier auf unserer Insel und uns geht es soweit sehr gut. Was wir gehört haben ist, dass es bereits einzelne Infizierte auf Santorin, der Nachbarinsel gibt, auch auf Kreta, Syros, Rhodos... und auf einer BlueStar-Fähre ein Besatzungsmitglied. Das sind nur die Inseln, die uns betreffen, da sie auf der Fährroute liegen.

 

Hier ist man sehr vorsichtig. Die Regeln werden eingehalten. Schulen sind geschlossen und Veranstaltungen auch hier auf Anafi abgesagt. Das betraf auch schon vor zwei Wochen den Karneval im Gemeindesaal.

Aber es kamen trotzdem ein paar junge Leute aus Santorin und tanzten am Rosenmontag in der Taverne Steki auf dem Tisch. Tavernen durften noch geöffnet sein, bis vorgestern.... Nun ist alles dunkel im Dorf am Abend. Nur einzelne Lichter.

 

Auch das Schiff mit den Ärzten ist nicht wie geplant gekommen. Dies kommt zweimal im Jahr um den Leuten hier die Möglichkeit zu geben, zu Fachärzten zu gehen. Dann wird die Schule für zwei Tage zum Ärztehaus. Die Behandlung ist für jeden kostenlos.

 

Offiziell gibt es hier noch keinen Fall.

 

Es gibt auch noch Toilettenpapier und Hand-Desinfektionsmittel und Nudeln und eigentlich alles mehr oder weniger wie immer.

 

Die Einheimischen bleiben hier und rufen die Leute von außerhalb auf, nicht auf die Insel zu kommen. Hier gibt es sehr sehr viele alte Leute, die ohne Krankenhaus keine Chance hätten. An diese Menschen wird vor allem gedacht bei diesem Aufruf.

 

Wir vermuten, dass sie bald Maßnahmen ergreifen werden, um gerade kleine Inseln zu schützen die keine Krankenhäuser haben. Aber keiner weiß was genaues.

Wir haben auch Vorräte für zwei Wochen. Falls sie die Fähren einstellen.

 

Wir stärken unser Immunsystem tagtäglich, darauf liegt unser Fokus. Wir haben gerade Salbei und Oregano gepflückt. Daraus kochen wir jeden Tag Tee und mit einem Sud kann man auch gurgeln. Manchmal fügen wir auch frischen Thymian und Rosmarin dazu.

 

Ansonsten haben wir es hier nicht mit vielen Menschen auf engem Raum zu tun und das ist natürlich ein großer Vorteil zur Großstadt. Wenn es kalt und windig ist, sieht man kaum Menschen, nur vielleicht beim Bäcker oder im Laden. Oder Kostas, der mit seinem weißen Pickup an uns vorbei fährt, in seinen Garten oder zu seinen Ziegen. Er grüsst uns immer freundlich. Eigentlich grüssen uns alle immer sehr freundlich. Agapia sagt, sie mögen uns hier. Wenn schönes Wetter ist, sieht man hin und wieder jemanden mit ihren Hündchen spazieren oder auf den Bänken sitzend. Am Strand waren wir aber fast immer alleine. 

 

Agapia hat ein Zicklein in Pflege. Es hat seine Mutter verloren und nun wird es mit einer Flasche gefüttert. Und fühlt sich schon pudelwohl, hier in Agapias Taverne.

Es ist eigentlich das Zicklein des Pfarrers, aber die sind gerade in Athen. Manchmal pullert es einfach irgendwo hin, und Tzortzis kommt mit dem Wischmop hinterher. Die Katzen haben sich an das Zicklein gewöhnt. 

 

Im April erwarten wir Freunde aus Deutschland. Wir glauben aber nicht, das sie kommen dürfen.

Für die, die aktuell verreisen wollen, gibt es bis jetzt nur die Empfehlung, nicht zu reisen, aber noch kein Einreiseverbot nach Griechenland. Kommt aber, so sagt man. Wir nehmen an, das dauert nur noch ein paar Tage.

 

Freitag, der 20. März 2020, eine Woche später

 

Abgesehen von den Sorgen um die Zustände an der türkisch - griechischen Grenze, der Info, dass der Vulkan auf Santorin irgendwelche Aktivitäten anzeigt und natürlich die ganze Virusgeschichte..., geht es uns nach wie vor gut.

 

Hier ist es seit Tagen sehr windig. Kalter Nordwind. Aber sonnig. Und herrliches Licht.

 

Wir telefonieren mit der Familie und tauschen Neuigkeiten aus und teilen die Sorgen. Machen uns aber auch schöne Gedanken. Die gibt es ja schließlich noch und wollen nicht ignoriert werden. Das mögen die schönen Gedanken gar nicht ... dann verziehen sie sich ohne das man es merkt.

 

Hier werden wohl bald keine Fähren mehr fahren. Nur noch für die Versorgung.

Die Inselbewohner haben Angst vor Leuten, die zurückkehren. Obwohl sie sofort in die vierzehntägige Quarantäne sollten. Ein Gesetz gibt es dafür noch nicht, nur die Bitte des Bürgermeisters.

 

Im Supermarkt steht am Eingang Desinfektionsmittel. Und eine Packung Einmalhandschuhe. Aber die Regale sind gut gefüllt. Eigentlich gibt es alles.

Die Imbissstube macht Souvlaki to go.

 

Alle Flüge von und nach Griechenland sind nun gestrichen.

 

Samstag, der 21. März 2020

 

Heute ist es wieder windstill, sonnig und 16 Grad. Wahrscheinlich werden wir zum Strand laufen.

 

Am Morgen ist die Fähre aus Athen gekommen. Möglicherweise die Letzte, wer weiß das schon. Dann wird es vielleicht nur noch Versorgungsschiffe geben.

Die kleinen Inseln ohne Krankenhäuser müssen besonders geschützt werden. Es kamen nur ein paar Anafioten zurück. Sie werden gebeten, sich in häusliche Quarantäne zu begeben.

Wir haben Hilfe zum Einkauf angeboten. Und zum Wasser holen aus dem „Wasserhäuschen“

Man braucht nur einen 10 Liter Wasserbehälter und hat bestes Trinkwasser. Für 50 Cent. Spart Geld und Plastikflaschen.

Wir leben hier sehr ökologisch, ohne besondere Absicht. Aber das merkt man erst, wenn man hier eine Weile wohnt. Kein in Plaste abgepacktes Obst oder Gemüse. Eier, Gemüse, Honig, Kräuter, Fisch oder mal ein Hühnchen gibt es hier von der Insel. Alles Bio. Und das mit Sicherheit.

Apfelsinen und Mandarinen sind aus Kreta. Und schmecken so wie es sein muss. Nur das man das schon vergessen hatte. Zitronen wachsen hier genug. Und die Schale kann man sich über den Salat raspeln. Die Luft ist sauber und wir haben genug Vitamin D. Unsere Hausapotheke besteht zum großen Teil aus ätherischen Ölen.

 

Morgen gibt es Mangold-Krusta. Der  Mangold wächst hier gut. Die zweiten Kartoffeln sind auch schon in der Erde. Der Spinat braucht es noch etwas wärmer. Die Bohnen müssen geerntet werden. Daraus wird Hummus gemacht. Frischen grünen Salat gibt es jeden Tag. Die Rote Beete gedeiht.

 

Die Dorfbewohner sind entspannt und freundlich.

Sie wissen aber, dass es noch sehr schwer werden wird, gerade hier, ohne eine gute Infrastruktur. Ohne fachärztliche Versorgung. Aber der letzte Satz ist immer: ... es geht vorüber.

Das wird es, ja. Und es wird hoffentlich in vieler Hinsicht ein Umdenken geben. Endlich.

Venedigs Kanäle haben wieder klares Wasser. Viele Venezianer haben das so noch nie gesehen.

 

Freitag,der  27. März 2020

 

Seit zwei Tagen ist Südwind. Er bringt auch feinen roten Sand aus Afrika. Sie sagen hier, er könnte auch Krankheiten mitbringen. Sie mögen diesen Wind nicht.

 

Gestern hat es den ganzen Tag geregnet. Wir sind das erste mal mit dem Regenschirm los, weil wir frisches Brot kaufen wollten. War aber auch schön und wir sind dann noch durch die nassen Margeriten-Wiesen gelaufen. Die Schuhe standen dann vor der Heizung, ein komisches Bild .... hier.

 

Heute früh war alles neblig. Oder unser Dorf in den Wolken. Ich mag das. Stefan auch. Alles sieht aus wie stehengeblieben oder angehalten, ganz weich und still und zeitlos.

 

Die Fähre aus Athen brachte vorgestern zwei Einheimische zurück. Das bedeutet auch für sie zwei Wochen Quarantäne. Hier ist weiterhin noch kein Fall bekannt.

Die Versorgung funktioniert gut. Es gibt alles, was es vorher auch gab.

Wenn man es nicht wüsste, würde man keinen Unterschied merken. Das Dorf ist im Winter immer ruhig. Erst wenn die Saison beginnt, dann wäre es mystisch hier ohne die Lebendigkeit der Einheimischen und die vielen Besucher und die Gerüche aus den Tavernen.

 

Dorf-Runde am Vormittag. Agapia und Tzortzis saßen in ihrer Taverne. Sie hatten Chorta* gesammelt und putzten es gerade. Die Taverne ist im Winter der beste Platz, um stundenlang von hier oben aufs Meer zu schauen. Tzortzis hat immer sein Fernrohr dort liegen. Manchmal ist da ein Fischerboot und er muss unbedingt wissen, wer das wohl ist.

Oder letztens das Schiff, welches aussah wie ein Kriegsschiff, das aber als Kartografie-Boot unterwegs war und immer vor der Insel hin und her fuhr. Es hatte etwas mit der Aktivität des Vulkans auf Santorin zu tun.  Das Boot hat die Bewegung des Meeresbodens überwacht. Das erfuhren wir aber erst später. Vorher kursierten verschiedenste Vermutungen.

 

Agapias Taverne ist auch Wohnzimmer, Lager, Treffpunkt, hier kochen und essen sie auch. Und es gibt WLan. Tzortzis interessiert das Internet nicht. Agapia um so mehr.

Tzortzis sagt, es gebe eine App, die aufzeigt wo und welche und wie viele Fische in den Meeresgebieten sind. Das würde ihn als Einziges interessieren.

Aber er wollte von uns wissen, was die Deutschen Wissenschaftler für neue Erkenntnisse mit dem Virus haben. Er glaubt den Medien hier nicht.

Agapia sagt, hier auf Anafi kann uns nicht viel passieren: „Wir haben die Berge, da gibt es Kräuter, Chorta, Schnecken ...

Wir haben das Meer, da gibt es Fische und Muscheln und Seefenchel.

Wir haben unseren Acker und dann noch den Gemüsegarten. Alles gedeiht gut. Und die Bienen sind fleißig. Und wir haben zwei Tiefkühltruhen voller Nahrung“.

Falls die Taverne nicht öffnen kann.

Ende Mai entscheiden sie, ob sie die Taverne öffnen. Aber sie glauben es nicht.

Das Ganze ist immer noch der Anfang. Griechenland hat zeitig mit den Maßnahmen begonnen.

Die große Hoffnung ist, dass sie bald Medikamente oder den Impfstoff haben werden. Irgendwann.

Oder, dass alles mit Hilfe der Gottesmutter vorbei geht.

 

Die Musiker in Griechenland, die sonst immer in den Tavernen spielen, machen Musik-Videos im Wohnzimmer und posten es.

Wir spielen täglich in unserem Zimmer oder auf der Terrasse und nutzen die Zeit, um neue Lieder zu lernen. Irgendwann wird es wieder ein Publikum geben.

Wir vermissen unsere Freunde, die jetzt für einen Monat kommen wollten, um mit uns Musik zu machen.

Ob wir im Juli wie immer nach Berlin fliegen können, steht in den Sternen. Alles ist ungewiss.

Aber es geht vorüber. Diese Zuversicht haben die Einwohner hier. Alle. Man muss ja nur daran glauben.

 

Neuigkeiten von der Insel hört man kaum. Oder es gibt keine. Die Meisten bleiben zu Hause oder arbeiten in ihren Gärten. Oder hüten ihre Ziegen. Nur zum Einkaufen geht man ins Dorf.

Wenn es schön ist, gehen wir zum Strand. Und schauen auf das Meer. Und denken an unsere Lieben und wissen, das sie auch an uns denken. Und dann genießen wir das Licht.

 

Alles ist grün. Und voller Blumen. Mohnblumen, Margeriten, Kleeblumen, Veilchen, Lilien ....

 

Wir haben immer irgendwas zu tun und wenn wir Lust haben, machen wir das auch.

Gestern hat Stefan eine Rote-Bete-Krusta gemacht. Eigene Ernte. Die Blätter werden natürlich mit verwendet. Und das Chorta von Agapia, was sie uns mitgegeben hat.

Das Blech reicht für drei Tage. Und ist ein Gedicht!

Zwei Rote-Bete Knollen haben wir Popi, unserer Vermieterin, geschenkt. Und dafür frische Hühnereier bekommen. Im März legen die Hühner wie verrückt. Wir haben dann Eierlikör gemacht. Und natürlich gibt es morgens ab und zu ein Frühstücksei.

Die Kartoffelpflänzchen wachsen. Da kann man zusehen. Fast täglich stehen wir vor unseren Beeten und staunen, was wir dieser steinigen Erde abgerungen haben.

 

Der Nebel hat sich aufgelöst und nun scheint die Sonne wieder. Dann haben wir heute Abend warmes Wasser zum Duschen. Und vielleicht reicht es auch zum Haare waschen. Sonnenenergie. Das Wasser kommt aus der Zisterne. Aus den Bergen. Nur im Sommer reicht es nicht. Da kommt es vom Wasserwerk.

Anafi hat auch ein eigenes Stromhäuschen, gleich am Hafen. Manchmal ist hier auch Stromausfall. Zum Beispiel wenn Unwetter ist. Dann sieht man den Elektriker mit seinem Auto zum Hafen fahren und bald haben wir dann wieder Strom.

 

Wir sind grad zurück von einer Wanderung ins Tal und haben Kamillenblüten gesammelt. Die duften so schön. Und in einem verwilderten Garten haben wir Zitronen gepflückt. Und Mandarinen. Aber die waren sehr sauer.

 

 

 

 

 

 

 

Ernte

In der Chora

Elpida in Pflege

Salbei

Abends am Strand

Die Prevelis fährt noch

Im Steki,

Heiligabend